Meine erste Ausfahrt nach der Winterpause sollte an die Ostsee führen. Um das Ende vorwegzunehmen: Dort bin ich nicht angekommen.
Ungefähr 70 km nördlich von Hamburg leuchtet plötzlich die Warnlampe für den Kühlwasserstand auf. Da ich bereits im letzten Jahr gelegentlich mal einen halben Liter nachfüllen musste, hält sich meine Nervosität in Grenzen. Dann fülle ich eben später Wasser nach und fahre erst einmal ganz easy weiter.
Als vorsichtiger Mensch behalte ich nun natürlich die Kühlwassertemperatur besonders aufmerksam im Auge. Wenig später klettert die Temperatur auf über 90 °C. Alles ganz easy, sollte kein Problem sein... oder doch?
Da die Anzeige nun auch die 100 °C-Marke behände hinter sich lässt, beschließe ich eine spontane Planänderung: Anhalten! Aber wo? Hier gibt es nur Landstraße, schnelle Autos, Gräben und Bäume.
Mit einem etwas waghalsigen Manöver bringe ich den Wagen auf einem matschigen schrägen Grünstreifen zum stehen. Die Dampfwolke, die nun vorne aus dem Kühlergrill quillt, wird akustisch von brodelndem Wasser untermalt. Was für ein schöner Tag!
Eher von Neugier als von Sachverstand getrieben beschließe ich, einen Blick unter die Motorhaube zu werfen. Auch ohne besondere Fachkompetenz fällt mir sofort der Kühlwasserschlauch auf, der dampfend im Motorraum baumelt. Messerscharfe Diagnose: Das könnte das Problem sein!
Der Stutzen des Kühlers, auf dem der Kühlwasserschlauch üblicherweise steckt, ist direkt an der Schelle abgebrochen! Warum baut man so ein Teil überhaupt aus Plastik? Mit wenig Mühe lassen sich die bröseligen Überreste des Plastikteils aus dem Kühlwasserschlauch pulen. Der Stutzen ist nicht vollständig abgebrochen. Etwa zwei Zentimeter sind stehen geblieben. Man müsste nur die Schelle vom Schlauch lösen, den Schlauch auf die Reste vom Stutzen schieben, die Schelle wieder festschrauben und das Wasser auffüllen.
Gut, dass ich einen Schraubenzieher für solche Zwecke im Kofferraum habe! Schlecht, dass der Schraubenzieher im Kofferraum meiner C-Klasse liegt!
Auf der Verzweifelten Suche nach irgendetwas, was einen Schraubenzieher ersetzen könnte, finde ich eine Büroklammer in meiner Tasche. Ich war noch nie ein Fan von MacGyver. Ich habe früher lieber A-Team und Knight Rider gesehen. Und was habe ich nun davon? Ich könnte meinen W124 mit ein paar Teilen vom Schrott zum Panzer umbauen oder in voller Fahrt auf die Ladefläche eines Lkw fahren. Aber mein Auto mit einer Büroklammer reparieren? Nö! Dennoch gelingt es mir, die Schelle mit der zurechtgebogenen Büroklammer zu lösen und den Schlauch auf den Stutzen zu schieben. So richtig fest lässt sich die Schraube mit der Büroklammer leider nicht anziehen.
Außerdem brauche ich noch Wasser. Für solche Fälle habe ich immer ein bis zwei Flaschen Wasser im Kofferraum... von meiner C-Klasse!
Wo soll ich hier Wasser herbekommen? Eine halbvolle Flasche Cherry Cola liegt noch auf dem Beifahrersitz, aber damit kommt man nicht weit. O.k., die andere Hälfte ist nicht wirklich weg. Ich habe sie auf der Fahrt getrunken. Wenn ich noch ein wenig warte, könnte ich sie wieder "aktivieren". Nein, an diese Option wird kein weiterer Gedanke verschwendet, ich bin schließlich ein zivilisierter Mensch.
An dieser Stelle muss ich mir eingestehen, dass ich auf fremde Hilfe angewiesen bin. Glücklicherweise befindet sich in der Nähe ein Haus und ein netter Herr hilft mir mit einem Schraubenzieher und einer Gießkanne mit Wasser aus. Der provisorisch befestigte Kühlerschlauch hat dann auch tatsächlich bis nach Hamburg gehalten.