Die komplette Erneuerung der HA stand noch auf meiner to do - Liste. Über Ostern habe
ich die Sache nun erfolgreich durchgezogen.
Schon während der Vorbereitungen habe ich, insbesondere aus der 124er Clubszene, eine
ganze Reihe von Anfragen dazu erhalten. Insbesondere zeichnete sich ab, daß die Revision
der HA nun nach ca. 30 Jahren bei so gut wie jedem 124er ansteht, welcher weiter erhalten
werden soll.
Zusammen mit der Problematik "Vordere Hinterachsaufnahmen" landet man selbst bei einer
freien Werkstatt schnell im mittleren 4-stelligen Bereich. Unter 2 k€ geht eigentlich nichts,
zzgl. Material natürlich.
Daher möchte ich nachfolgend am Bsp. 230 E Limo Bj 91 mit Standard-Fahrwerk eine bebilderte Anleitung
erstellen, die auch "Auto"didakten (so wie ich auch einer bin) mit weniger als 2 Daumen pro Hand
und einer Standardausrüstung an Werkzeug in die Lage versetzten kann, diese Arbeit selbst zu erledigen.
1) Grundsätzliches
Es sollte eine plug-and-play-Lösung werden, da ich nur einige Tage eine Hebebühne zur Verfügung hatte.
Insofern teilt sich die Arbeit auf in:
- Herstellung einer einbaufertigen HA
- Ausbau / Einbau und Korrosionsschutz
Es geht zwar sicherlich auch ohne Bühne, ist aber vergleichsweise streßig, von blauen Flecken,
Hexenschuß usw. mal abgesehen ...
Unterschiede der HA bei Limo/Kombi:
- Radträger (Gußteil)
- Radlager (größer/breiter)
- Nabe
- Pendelstütze Stabi (Metall statt Kunststoff), unten breiter
- Federlenker (Kombi im Bereich Stoßdämpfer-Verschraubung breiter)
- Stoßdämpfer (Kombi mit Niveau-Regelung)
2) Teile
Weitergenutzt wurden:
- Differential (wurde vor 30 tkm schon mal überholt, ist sogar dicht)
- Antriebswellen
- Federn (nur leichte Korrosion)
- Stabistange (wurde auch schon mal erneuert)
Aufgearbeitet werden
- HA-Rahmen (aus Schlacht-Auto gewonnen)
- HA-Radträger (ebay)
Neu
- Strebenset incl. Spurstangen und Stabi-Pendelstützen
- Quitschbuchsen
- Federlenker komplett
- Radlager mit Montagematerial
- Leitbleche
- Naben
- Hand- und Betriebsbremse komplett, incl. Bremssattel und Bremsschläuchen
- Stoßdämpfer
- Stabilager
Als Hersteller für das Strebenset und die Gummilager habe ich prinzipiell Lemförder verwendet.
Der Mehrpreis ggü. ebay-Schnäppchen ist gering im Verhältnis zum Arbeitsaufwand. Die Federlenker
sind Original von MB, hier gibt es keine Äquivalentprodukte auf dem Markt oder der Preisunterschied
ist marginal. Wenn die Maßhaltigkeit der Streben und Federlenker nicht gegeben ist, wird die
Fahrwerkseinstellung keine vernünftigen Werte ergeben können. Es kann bei der HA prinzipiell nur
die Spur eingestellt werden, der Rest ergibt sich durch die Maße der verbauten Teile !
3) Werkzeug
Folgendes Spezialwerkzeug ist erforderlich:
- Presse 12t, besser 20 t
- Schlagschrauber (wer kräftig ist schafft’s auch ohne)
- Abzieher für Quitschbuchse
- universal Radlagerwerkzeug (gibt es günstig bei ebay)
- 12er Gewindestange, 300 lang mit Muttern (zum Einziehen Topflager und Diff-Buchsen im
HA-Rahmen)
- Nuß Vz 30 (für Zentralmutter Nabe)
- Bitsatz TORX/TORX-E/Vielzahn je nach Schraubensatz Streben und Antriebe
- Bits Imbus 12+14
- Gewindeschneidset zum Säubern der Gewinde von Schraubensicherungmittel
4) "Heimarbeit"
Der gebrauchte HA-Träger muß von den Topflagern befreit werden. Hier hilft nur rohe Gewalt
(Hammer und Meisel). Lagersitze dabei nicht beschädigen. Die Diff-Lager stehen hinten unterschiedlich
weit raus. Diese Maß ermittelt man vor dem Rauspressen der Lager. Wenn man die neuen Lager mit diesem Maß
einpresst, stimmt die Ausrichtung des Diff meißtens schon. Dazu später mehr.
Den HA-Träger habe ich zum Sandstrahlen und Pulverbeschichten gegeben. Lagersitze der Diff-Lager schützen
(vorher Rundholz einpressen). Abschließend habe ich die Hohlräume mit Schutzwachs zusätzlich versiegelt.
Die Topflager vorn und hinten zieht man mit einer Gewindestange und Druckplatten ein. Vaseline verwenden.
Nach der Zerlegung der bei ebay ersteigerten Radträger (Anbauteile gehen in den Schrott) muß die Nabe aus
dem Radlager gepresst werden. Ohne das MB-Spezialwerkzeug gehen bei einer normalen Presse mit Druckstück
die Leitbleche kaputt, da sie "unten liegen" (Auflage aus Holzklötzen) und somit deformiert werden. Wenn
die Nabe raus ist, kann man das Leitblech abbauen. Bei der Limousine verbleibt der äußere Teil (Richtung Felge)
der inneren Radlagerschale auf der Nabe. Diese kann man nur mit einem weiteren Spezialwerkzeug von MB abziehen.
Da die Naben eh nicht mehr so gut aussahen, habe ich neue verwendet. Mapco bietet diese für 1/3 des Preises vom
Freundlichen an. Beim Kombi sind andere Radlager verbaut (43 statt 39 mm breite und mit anderem Innendurchmesser).
Hier bleibt das Radlager nicht auf der Nabe hängen.
Das Radlager selbst bekommt man mit der Presse und Druckstück gut raus. Vorher Rostlöser in den Spalt
Radträger-Radlager spritzen.
Danach werden die Radträger (das Gußteil) gründlich entrostet und mit entsprechendem Schichtaufbau behandelt.
Ich habe mich für Epoxy als Grundierung und 2x dünn Korrux 3in1 als Endbeschichtung entschieden.
Das alte Lager habe ich anschließend außen ca. 10 mm hoch und ca. 0,5 mm tief angefast (Schleifmaschine), um
es beim Eindrücken des neuen Lagers als Drückstück zu verwenden. Somit ist gewährleistet, daß ggü. Druckplatten
die innere Radlagerschale beim Einpressen keine Kräfte aufnehmen muß. Für die Radlager empfehle ich FAG oder SKF.
Wer Extra-Spaß haben will, verwendet eine möglichst kleine Sprengringzange (für den Sprengring des Radlagers) aus
dem Baumarkt ...
Die alte Quitschbuchse bekommt man auch mit einer Presse ohne Spezialwerkzeug nicht bewegt (ist mir jedenfalls
nicht gelungen). Daher habe ich mich für den Kauf des Werkzeuges bei (ebay) entschieden. Damit geht es richtig
gut. Einbau dto.
Nachdem Radlager und Quitschbuchse eingebaut sind, kann man die Leitbleche und die Handbremse montieren. Die
Bremsbacken der Handbremse kann man zwar auch später montieren, es geht aber so viel leichter.
Zuletzt wird die Nabe eingepreßt.
Tip: Radlager und Nabe vor dem Einpressen ein paar Stunden in den Tiefkühlschrank legen und beim Einpressen
zusätzlich WD40 verwenden.
Alle Bremsenmaterialien habe ich prinzipiell von ATE verwendet (Scheiben + Klötze, Handbremse + Seile,
Bremsschlauch). Hier sollte man nicht sparen wollen.
Das Strebenset wird gemäß Zeichnung an dem HA-Träger angebaut. Man beginnt beim Radträger alle Streben zu
montieren und schraubt diese Gebilde dann an den HA-Träger. Einbaurichtung der Schrauben beachten,
sonst ist ohne HA-Ausbau der evtl. spätere Tausch einzelner Streben nicht möglich.
Achtung:
- die Durchmesser der Bohrungen im Radträger beträgt 13 mm (seit der Vereinheitlichung).
Im Strebenset werden Reduzierhülsen auf M12 mitgeliefert. Nicht vergessen einzubauen !
- Schraube der Zugstrebe am Radträger (Pos. 86 in Zeichnung) andersrum wie im WIS
dargestellt einbauen, da sonst das Leitblech wieder ab muß.
- Schrauben alle erst handfest anziehen, die endgültigen Anzugsmomente erst später
realisieren. Die Buchsen sind sonst in Ruhelage schon vorgespannt und verschleißen
dann schnell. Siehe dazu auch weiter unten.
Zum Schluß wurden noch neue Bremssättel angeschraubt. Hier habe ich industriell regenerierte Teile
(mit Garantie) verwendet. Budweg Caliper soll hier in Europa Marktführer sein, andere Hersteller
drucken dann nur noch ihr Logo auf den Karton (gegen Aufpreis natürlich).
Bei der Montage darauf achten, daß die Entlüftungsschrauben oben sind (d.h. L/R nicht vertauscht wurde).
5) Ausbau HA
Folgende Teile müssen ausgebaut/gelöst werden (Limo):
- Zentralmutter Nabe
- Abgasanlage ab Kat
- Wärmeschutzblech unter Kardanwelle
- Abdeckung Kraftstoffpumpenblock und Abdeckung auf der anderen Seite (vor MSD)
- Hardyscheibe am Diff abschrauben
- Mittellager Kardanwelle lösen
- Benzinschlauch vom Tank zur Kraftstoffpumpe (Benzin vorher ablassen)
- Stabi
- Stoßdämpfer (unten)
- Bremsschläuche
- Handbremsseile
- Überlauf Tank aus HA-Träger ziehen
- Rücksitzbank und Lehne ausbauen (wegen Kabel ABS)
- Kabel ABS bis zum Diff zurückziehen
Die Verbindung Bremsschlauch - Bremsleitung ließ sich bei mir nicht lösen. Daher war die Frage nach
dem optionalen Tausch der Bremsleitungen schon beantwortet ...
Danach wird die HA mit Getriebeheber abgestützt und die 4 Schrauben der HA-Aufnahme gelöst. Meißt
kann die HA dann abgesenkt werden, ansonsten mit 12er Rundeisen von unten die Topflager lockern.
Die Federn müssen hinten nicht mittels Federspanner ausgebaut werden, beim Lösen der 4 HA-Schrauben
werden sie entspannt (die ca. 2-3 cm Schraubenweg reichen aus).
Nun können die wiederzuverwendenden Teile abgebaut werden.
Rest folgt (Begrenzung im Board)
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Locke66« (18. April 2018, 00:12) aus folgendem Grund: Bilder