Moinsen zusammen!
Wo fang ich am besten an?
Ach ja, darf ich vorstellen: Curtis II, ein 200TE, 91er Baujahr, Impala-Metallic, Innenausstattung “Brasil”.
Ein neuer S124 musste her, als ich im letzten Sommer meinen bisher ersten S124 mit 418.000 km
schlussendlich ins Nirvana verabschieden musste.
Mit 380.000 km und frischem TÜV damals für wenig Geld gekauft, hatte ich mit diesem Wagen, trotz
dem ein oder anderen altersbedingten Problemchen meine wahre Freude. Aus Jux wurde er ‘Curtis’
getauft.
Obwohl ursprünglich nur als Winterauto gedacht, wurde er während seiner ganzen Zeit bei mir niemals
mehr abgemeldet und erlebte auf kleineren Reisen, Festivals und Alpenüberquerungen wohl am Ende
noch den Sommer seines Lebens. Und ich, ich hatte mich ein bisschen verliebt.
Knapp 2 Jahre lang wurde der alte Benz durch diverse Reparaturen immer wieder mühevoll am Leben erhalten,
bis zum nächsten TÜV dann klar war: Es hat keinen Zweck mehr.
Nachdem die Entscheidung, das Auto still zu legen, getroffen war, verlief die feierliche letzte Fahrt - es
war in einer lauen Sommernacht - beinahe schicksalhaft. Der Motor lief schlecht wie nie zuvor, erst nur
noch auf 3, dann auf 2 und wieder auf 4 Zylindern, bis ich ihn schließlich auf seinem letzten Parkplatz
abstellte.
Im kleinen Kreise einiger Leute, die ihn inzwischen ebenfalls ins Herz geschlossen hatten,
verabschiedeten wir uns von Curtis im Rahmen einer kleinen aber denkwürdigen Trauer-Zeremonie.
Er selbst spielte dabei noch ein letztes mal “Mercedes Benz” von Janis Joplin über seine
Stereo-Anlage.
Tränen flossen. Es war furchtbar.
Als Organspender bei einem Ausschlachter sollte er sein Ende finde.
Kurz zuvor hatte ich schon begonnen, nach einem Nachfolger für ihn zu suchen. Diesmal aber mit der
Prämisse, einen Wagen in besserem Zustand zu finden und diesen auch langfristig im Alltag zu fahren
und zu erhalten.
Ich sah mir schließlich ein passendes Modell in der Nähe von Augsburg an, mit 175.000 Kilometern
auf der Uhr, kaum 2 Jahre älter als ich und in augenscheinlich sehr gutem Gesamtzustand.
Sein Vorbesitzer, ein älterer Herr, war wohl kürzlich verstorben, so dass sein Nachbar den Wagen im
Auftrag der Witwe verkaufte.
Der erste Eindruck passte dazu. Ein schlichtes, gut gepflegtes T-Modell mit wenig Sonderausstattung.
Immerhin wurde ein 5-Gang-Schaltgetriebe, eine Anhängerkupplung und zusätzliche Lautsprecher in
den Fond-Türen dazu bestellt. Außerdem war der Benz, wahrscheinlich nachträglich von Mercedes,
mit einer Klimaanlage ausgerüstet worden.
Ungewöhnlich war lediglich der seltsame, große Kipp-Schalter ohne Beschriftung in der Mittelkonsole,
welcher, so stellte sich bald heraus, den ebenfalls nachgerüsteten Zusatzlüfter am Kühler betätigte.
Ich schob das aber erstmal auf die Klimaanlage, die dem bekanntermaßen eh oft schon zu kleinen
Wasserkühler noch mehr Leistung raubte und den Zusatzlüfter somit nötig machte.
Rost war an den typischen Problemstellen wenig und an der Außenhaut überhaupt keiner zu finden.
Lediglich eine von vier Wagenheberaufnahmen war angegriffen.
Einziges größeres Manko waren der kleinere Motor im Vergleich zum Vorgänger (200er Benziner
statt 230er) und eine eingedellte Fond-Tür.
Dafür hatte er wie sein Vorgänger wieder die - meiner Meinung nach schönste - Innenausstattung in
“Brasil” und eine neue Tür in der richtigen Farbe lag ja auch schon bei.
Also: Gekauft!
Als aller erstes wurde die dritte Sitzreihe aus dem Kofferraum von Curtis aus- und beim neuen Benz
eingebaut. Dank gleichfarbiger Innenausstattung kein Problem. Die Notsitze mussten auf jeden Fall
mit, waren sie doch beim Vorgänger auf diversen Fahrten zu entlegeneren Ausflugszielen mit 6-7
Leuten das ein oder andere Mal sehr hilfreich gewesen.
Das Vor-MOPF Lenkrad von Curtis hat er außerdem bekommen. Das gefällt mir einfach besser.
Nachdem die eingedellte Fond-Tür auch durch die neue ersetzt wurde, nachträglich noch die richtige
Typenbezeichnung auf dem Heckdeckel angebracht wurde und vor dem ersten Winter noch eine erste
grobe Konservierung mit Seilfett durchgeführt wurde, stand er dann eigentlich schon mal gut da.
Ganz so entspannt wie gedacht verliefen die nächsten 1,5 Jahre mit ihm dann aber doch nicht.
Auf einer Fahrt von München nach Fulda fiel das Kupplungspedal auf der Autobahn plötzlich durch,
eines anderen schönen Tages tropfte es aus dem Dachhimmel im Kofferraum und einen schlechten
Kaltlauf hatte er schon seit dem ich ihn gekauft hatte.
Irgendwann fiel mir dann Öl im Kühlwasser auf, das leider auch nicht weniger wurde und viel zu heiß
wurde er im Sommer außerdem auch immer öfter. Alle Probleme hatten sich aber kurzzeitig erübrigt,
als sich der Schlüssel im Zündschloss nicht mehr drehen ließ...
Dann traten die eigentlich behobenen Probleme mit der Kupplung in abgeschwächter Form wieder auf,
die Traggelenke meldeten sich knarzend zu Wort und diverser Kleinkram lies die ganze Sache
sowieso nie langweilig werden.
Selbst vor Vandalismus blieb er nicht verschont, wodurch noch 2 abgebrochene Antennen und
außerdem eine vom Stern geklaute Nikolausmütze dazu kamen.
Alles in allem komme ich inzwischen auf folgende Reparaturen, die vollständig eigenhändig oder mit
Unterstützung meines Vaters - seines Zeichens gelernter KFZ-Mechaniker - durchgeführt wurden:
- Öl- + Ölfilterwechsel
- Austausch der Zündkerzen
- Nachträgliches Anbringen der Typenbezeichnung “200TE” auf der Heckklappe
- Tausch der rechten Fond-Tür
- Einbau der Notsitzbank im Kofferraum
- Reparatur des Lecks am Schlauch der Heckscheibenwaschanlage
- 2x Tausch des Thermoschalters des Kühlerlüfters
- Tausch Kupplungs-Nehmerzylinder inkl. Bremsflüssigkeit
- Tausch der vorderen beiden Lautsprecher an den A-Säulen
- Ersatz des gebrochenen Kunststoff-Thermostatgehäuses durch die Alu-Version
- Tausch des Thermostats
- Tausch der Zündkabel
- Austausch des Zündschlosses, später Reparatur des ursprünglichen Schlosses
- Tausch des Kupplungs-Geberzylinders
- 2x Einbau einer neuen Antenne
- Austausch eines undichten Waschwasserbehälters im Heck
- Reparatur der Mechanik der Lüftungsdüse in der Mittelkonsole
- Erneuerung diverser Armaturen-Beleuchtungen
- Schmieren der Traggelenke, Austausch steht noch aus
Was in der Liste noch fehlt, ist die Zylinderkopfdichtung, die ich nach langen Überlegungen wegen
dem Öl im Kühlwasser selbst gemacht habe. Inkl. Tausch der Gleitschiene. Und das hat tatsächlich
funktioniert.
Ich war stolz wie Oskar, auf ihn und auf mich, als er, nachdem ich alles wieder montiert hatte, sofort
und anstandslos ansprang.
Der Kopf wurde dabei von einem Fachbetrieb abgedrückt und geplant.
Spaßeshalber vertrete ich inzwischen die Meinung, dass es sich der alte Benz heimlich zur Aufgabe
gemacht hat, mir so viel wie möglich zum Thema Kraftfahrzeugtechnik beizubringen. Und da er mir
das alles nicht einfach erzählen kann, fabriziert er einfach immer wieder irgendwelche verrückten
Ausfälle, wodurch ich dann gezwungen bin, mich ausführlich mit der Materie zu beschäftigen.
Ach ja, den schlechten Kaltlauf, bei dem die ersten Minuten nach dem Kaltstart die Motor-Drehzahl
immer wieder bis zum Absterben absank, habe ich übrigens nie behoben. Das hat er stattdessen
selbst gemacht.
Eines schönen Sommertages war das Problem einfach weg. Bis heute ist es nie wieder aufgetreten.
Irgendwie hat er ja doch ein Eigenleben...
Das alles soll jetzt aber keinen falschen Eindruck erwecken.
Wir hatten bisher eine gute Zeit zusammen.
Auch er durfte wie sein Vorgänger schon am Penserjoch auf 2211 Höhenmetern die Alpen auf dem
Weg nach Italien überqueren.
Mit über 1,80 Meter Ladefläche lässt sich ganz wunderbar in ihm schlafen. Und das tat ich bereits oft
genug.
4 Festivals, eine Camping-Reise auf die Insel Elba, 2 Umzüge und eine Oldtimerausfahrt hat er
außerdem schon mitgemacht.
Und ich mag den Wagen. Alleine das unglaublich solide Fahrgefühl. Das einzigartige, inzwischen
zeitlose Trapez-Design, das sich in allen möglichen Ex- und Interieur-Teilen wiederholt. Überhaupt die
Armaturen und die Innenverkleidung, die man während jeder Fahrt vor der Nase hat und die wirkt, wie
aus dem Vollen geschnitzt.
Und schlussendlich freuen mein Vater und ich uns bei jeder Arbeit am Benz aufs neue darüber, wie
solide, durchdacht und “overengineered” das alles gemacht ist.
Wie geht’s nun weiter?
Naja, ein bisschen Rost hat er halt doch. Wenn auch nicht viel. Aber der muss weg.
Da wären zum Beispiel die Rahmen der hinteren Seitenscheiben, bei denen es gerade anfängt. Oder
der rechte Schweller, bei dem die Hohlraum-Öffnungen dermaßen ausgefressen sind, dass ich ihn vllt
besser gleich komplett austausche.
Und das habe ich mir für 2018 als Großprojekt vorgenommen. Dabei darf ich dann wohl gleich noch
das Schweißen lernen.
Schon jetzt kann ich aber sagen: Ein tolleres Fahrzeug kann ich mir kaum vorstellen.
Da kann er mich noch so oft zum Wahnsinn treiben. Da müsste schon einiges passieren, dass ich da...
Also ne.
Ihr hört von uns.
Grüße,
CB
Dieser Beitrag wurde bereits 6 mal editiert, zuletzt von »CurtisBenz« (12. April 2018, 12:17)